Palliativpflege im Pflegeheim: Würdevolle Begleitung am Lebensende
Wenn eine lebensbedrohliche Erkrankung fortschreitet und eine Heilung nicht mehr möglich ist, rückt die Lebensqualität in den Mittelpunkt. Palliativpflege im Pflegeheim bedeutet, Menschen in ihrer letzten Lebensphase würdevoll zu begleiten, Schmerzen zu lindern und sowohl Betroffene als auch Angehörige zu unterstützen. Dieser Ratgeber erklärt, was Palliativversorgung im Pflegeheim umfasst und welche Möglichkeiten es gibt.
Was bedeutet Palliativpflege?
Der Begriff "palliativ" kommt vom lateinischen "pallium" (Mantel) und steht symbolisch für den Schutz und die Umhüllung schwerkranker Menschen. Palliativpflege hat das Ziel:
- Schmerzen und belastende Symptome zu lindern
- Die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern
- Psychische und spirituelle Bedürfnisse zu berücksichtigen
- Angehörige zu unterstützen und zu entlasten
- Ein würdevolles Sterben zu ermöglichen
Die Palliativversorgung ersetzt keine Pflege – sie ergänzt sie in der letzten Lebensphase um spezialisierte medizinische und pflegerische Expertise.
Palliativversorgung im Pflegeheim: Die rechtliche Grundlage
Seit 2015 haben Pflegeheimbewohner einen gesetzlichen Anspruch auf Hospiz- und Palliativberatung. Das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) verpflichtet Pflegeheime:
- Kooperationsverträge mit Hospiz- und Palliativdiensten zu schließen
- Bewohner über Möglichkeiten der Palliativversorgung zu informieren
- Bei der Erstellung von Patientenverfügungen zu unterstützen
- Sterbebegleitung als Teil der Pflegeleistung anzuerkennen
Formen der Palliativversorgung
Allgemeine Palliativversorgung (APV)
Die allgemeine Palliativversorgung wird durch das Pflegeheim selbst und den behandelnden Hausarzt geleistet. Sie umfasst:
| Bereich | Maßnahmen |
|---|---|
| Symptomkontrolle | Schmerztherapie, Übelkeit, Atemnot |
| Pflege | Lagerung, Mundpflege, Ernährung |
| Psychosozial | Gespräche, Angehörigenbegleitung |
| Spirituell | Seelsorge, Rituale nach Wunsch |
Die APV reicht für etwa 90% der Sterbenden aus.
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)
Bei komplexen Symptomen oder besonders belastenden Situationen kann zusätzlich ein SAPV-Team hinzugezogen werden. Dieses besteht aus:
- Palliativmedizinern
- Palliative-Care-Pflegekräften
- Ggf. Psychologen, Sozialarbeitern, Seelsorgern
Voraussetzungen für SAPV:
- Unheilbare, lebensbedrohliche Erkrankung
- Komplexe Symptome, die besondere Expertise erfordern
- Verordnung durch den behandelnden Arzt
- Genehmigung durch die Krankenkasse
Die SAPV ist eine Leistung der Krankenkasse (§ 37b SGB V) und für Versicherte kostenfrei.
Hospizliche Begleitung
Zusätzlich zur medizinisch-pflegerischen Versorgung bieten ambulante Hospizdienste ehrenamtliche Sterbebegleitung:
- Da-Sein und Zuhören – Präsenz und menschliche Nähe
- Entlastung für Angehörige – Zeit für Pausen und Erholung
- Gespräche über das Sterben – Ängste und Wünsche besprechen
- Sitzwachen – Begleitung in den letzten Stunden
Die Hospizbegleitung ist kostenfrei und wird über die Krankenkassen finanziert.
Symptomkontrolle am Lebensende
Die wichtigste Aufgabe der Palliativpflege ist die Linderung belastender Symptome:
Schmerztherapie
Schmerzen sind eines der am meisten gefürchteten Symptome. Moderne Palliativmedizin kann Schmerzen in den meisten Fällen wirksam lindern:
- Medikamentöse Therapie nach WHO-Stufenschema
- Opioide bei starken Schmerzen (auch Morphin-Präparate)
- Bedarfsmedikation für Schmerzspitzen
- Alternative Methoden wie Lagerung, Massage, Wärme
Wichtig: Niemand muss Schmerzen aushalten. Sprechen Sie mit dem Pflegepersonal, wenn Schmerzmittel nicht ausreichend wirken.
Atemnot
Atemnot ist ein häufiges und belastendes Symptom in der Sterbephase:
- Beruhigende Medikamente (auch Morphin lindert Atemnot)
- Lagerung mit erhöhtem Oberkörper
- Frische Luft und Ventilator
- Sauerstoffgabe bei Bedarf
- Beruhigende Präsenz
Übelkeit und Erbrechen
- Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit)
- Kleine Mahlzeiten nach Wunsch
- Keine Zwangsernährung in der Sterbephase
- Mundpflege zur Befeuchtung
Die terminale Phase
In den letzten Tagen und Stunden verändern sich die Bedürfnisse:
- Flüssigkeit und Nahrung werden meist nicht mehr gewünscht
- Mundpflege ersetzt aktive Ernährung
- Reduzierung der Medikamente auf das Wesentliche
- Körperpflege wird schonend angepasst
- Ruhe und Nähe stehen im Vordergrund
Rolle der Angehörigen
Einbeziehung in die Pflege
Angehörige können – wenn sie möchten – aktiv in die letzte Lebensphase einbezogen werden:
- Besuche zu jeder Zeit (auch nachts)
- Übernachtung im Pflegeheim
- Beteiligung an der Pflege (Handhalten, Vorlesen, Singen)
- Teilnahme an Palliativgesprächen
- Gestaltung des Zimmers nach Wünschen
Entlastung für Angehörige
Die Sterbebegleitung ist auch für Angehörige belastend. Unterstützung bieten:
- Hospizdienste für Entlastung und Gespräche
- Seelsorge im Pflegeheim
- Sozialberatung für organisatorische Fragen
- Trauerbegleitung auch nach dem Tod
Kommunikation mit dem Pflegeteam
Offene Kommunikation ist wichtig:
- Fragen Sie nach dem aktuellen Zustand
- Teilen Sie Beobachtungen und Wünsche mit
- Sprechen Sie über Ihre eigenen Belastungen
- Klären Sie Erreichbarkeiten im Notfall
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Bedeutung in der Palliativpflege
Eine Patientenverfügung gibt Sicherheit über die Wünsche des Betroffenen:
- Welche Behandlungen sind gewünscht?
- Welche Maßnahmen werden abgelehnt?
- Soll eine Krankenhaus-Einweisung erfolgen?
- Wer soll Entscheidungen treffen?
Gespräche zur Vorausplanung (Advance Care Planning)
Viele Pflegeheime bieten Gespräche zur gesundheitlichen Vorausplanung an:
- Wünsche für die letzte Lebensphase besprechen
- Patientenverfügung erstellen oder aktualisieren
- Vorsorgevollmacht klären
- Notfallplan für das Pflegeteam erstellen
Tipp: Führen Sie diese Gespräche rechtzeitig, solange der Bewohner noch äußerungsfähig ist.
Finanzierung der Palliativversorgung
Leistungen der Pflegeversicherung
Die reguläre Pflege im Pflegeheim wird weiterhin über den Pflegegrad finanziert. Die Sterbebegleitung ist Teil der Pflegeleistung.
Leistungen der Krankenkasse
Die Krankenkasse übernimmt zusätzlich:
| Leistung | Kostenträger |
|---|---|
| SAPV | Krankenkasse (§ 37b SGB V) |
| Palliativmedikamente | Krankenkasse (Rezept) |
| Hilfsmittel (z.B. Pflegebett, Sauerstoff) | Krankenkasse |
| Hospizbegleitung | Krankenkasse (über Hospizförderung) |
| Seelsorge | Kostenfrei (Kirchen/Träger) |
Keine Zusatzkosten für Bewohner
Die Palliativversorgung verursacht für Pflegeheimbewohner in der Regel keine Zusatzkosten. Sowohl SAPV als auch Hospizbegleitung sind Kassenleistungen.
Qualitätsmerkmale guter Palliativpflege im Pflegeheim
Worauf Sie achten sollten
Ein Pflegeheim mit guter Palliativversorgung erkennen Sie an:
- Kooperationsverträgen mit SAPV-Teams und Hospizdiensten
- Geschultem Personal (Palliative-Care-Weiterbildung)
- Offener Kommunikation über Sterben und Tod
- Angehörigenfreundlichen Regelungen (Besuchszeiten, Übernachtung)
- Abschiedskultur (Würdigung verstorbener Bewohner)
- Einzelzimmer für die letzte Lebensphase
Fragen bei der Heimauswahl
- Wie wird Sterbebegleitung im Heim gestaltet?
- Gibt es Kooperationen mit Palliativ- und Hospizdiensten?
- Welche Weiterbildungen hat das Personal?
- Können Angehörige übernachten?
- Wie werden Bewohner und Angehörige einbezogen?
Umgang mit dem Tod im Pflegeheim
Die letzten Stunden
Das Pflegepersonal informiert Angehörige rechtzeitig, wenn das Sterben absehbar ist. In den letzten Stunden:
- Angehörige können bei ihrem Menschen sein
- Das Pflegeteam ist für Fragen und Unterstützung da
- Seelsorge kann hinzugezogen werden
- Es gibt keinen Zeitdruck nach dem Versterben
Nach dem Tod
Das Pflegeheim unterstützt bei:
- Benachrichtigung des Arztes zur Leichenschau
- Information an gewünschte Personen
- Kontaktaufnahme mit dem Bestatter
- Aufbahrung und Abschiednahme
- Formalitäten (Sterbeurkunde, Abmeldung)
Abschiedsrituale
Viele Pflegeheime pflegen Abschiedsrituale:
- Aufbahrung im Zimmer oder Abschiedsraum
- Kerze oder Symbol an der Zimmertür
- Gedenkgottesdienste oder Trauerfeiern
- Kondolenzbuch für Mitbewohner und Personal
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss mein Angehöriger für die Palliativversorgung ins Krankenhaus?
Nein, Palliativversorgung ist auch im Pflegeheim möglich. Spezialisierte Teams (SAPV) kommen ins Heim. Eine Krankenhauseinweisung ist nur bei akuten Komplikationen nötig – und auch dann nur, wenn es dem Wunsch des Bewohners entspricht.
Wer entscheidet über palliative Maßnahmen?
Der Bewohner selbst entscheidet, solange er dazu in der Lage ist. Ist dies nicht mehr möglich, entscheidet der Bevollmächtigte oder Betreuer – immer nach dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen (Patientenverfügung).
Kostet die Hospizbegleitung etwas?
Nein, die ehrenamtliche Hospizbegleitung ist kostenfrei. Sie wird über die Krankenkassen finanziert, ohne Zuzahlung für Bewohner oder Angehörige.
Kann ich bei meinem Angehörigen übernachten?
Die meisten Pflegeheime ermöglichen Angehörigen die Übernachtung in der letzten Lebensphase – entweder im Zimmer des Bewohners oder in einem Gästezimmer. Fragen Sie in der Einrichtung nach.
Werden Schmerzen am Lebensende immer ausreichend behandelt?
Moderne Palliativmedizin kann die meisten Schmerzen wirksam lindern. Falls die Schmerztherapie nicht ausreicht, sollte ein SAPV-Team hinzugezogen werden. Niemand muss Schmerzen am Lebensende aushalten.
Was ist der Unterschied zwischen Pflegeheim und Hospiz?
Ein Hospiz ist eine spezialisierte Einrichtung ausschließlich für die letzte Lebensphase (meist Wochen bis wenige Monate). Das Pflegeheim ist der dauerhafte Wohnort – Palliativversorgung wird dort als zusätzliche Leistung erbracht.
Fazit
Palliativpflege im Pflegeheim ermöglicht es Menschen, ihre letzte Lebensphase würdevoll an ihrem vertrauten Wohnort zu verbringen. Durch die Zusammenarbeit von Pflegepersonal, Ärzten, SAPV-Teams und Hospizdiensten ist eine umfassende Versorgung möglich. Angehörige werden einbezogen und unterstützt. Die Kosten werden von Pflege- und Krankenkasse getragen.
Sprechen Sie frühzeitig mit dem Pflegeheim über Möglichkeiten der Palliativversorgung – am besten schon bei der Heimauswahl oder spätestens, wenn eine lebensbegrenzende Erkrankung diagnostiziert wird.
Weiterführende Informationen
Interne Links
- Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
- Pflegeheim-Qualität erkennen
- Rechte von Pflegeheim-Bewohnern
- Umzug ins Pflegeheim
Externe Links und Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin – Informationen zur Palliativversorgung
- Deutscher Hospiz- und PalliativVerband – Hospizdienste finden
- Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung – Suchportal für Angebote
- Bundesministerium für Gesundheit: Hospiz- und Palliativgesetz
Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Beratung. Bei konkreten Fragen zur Palliativversorgung wenden Sie sich bitte an das Pflegeteam, den behandelnden Arzt oder spezialisierte Beratungsstellen.